Christian Dürr über neue FDP: "Auch ich muss mich ändern"

Christian Dürr möchte der nächste FDP-Chef werden.
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Die FDP startet in der kommenden Woche die Mission Wiedereinzug in den Bundestag. Auf dem Parteitag in Berlin wählen die Delegierten einen neuen Vorsitzenden. Aller Voraussicht nach wird es Ex-Fraktionschef Christian Dürr. Im Interview erklärt er, was er anders machen will - und warum er zwei Minis hat.
ntv.de: Herr Dürr, gerade wurde ein neuer Bundeskanzler gewählt. Hatten Sie nach dem gescheiterten ersten Wahlgang Mitleid mit Herrn Merz?
Christian Dürr: Es geht nicht um Mitleid. Ich möchte, dass Deutschland eine handlungsfähige Regierung bekommt. Ich fürchte aber, diese Regierung ist nicht stabil. Weil sie sich in Wahrheit nicht so richtig einig ist. Ich glaube die Abgeordneten merken, dass ihr Koalitionsvertrag nicht zukunftsfähig ist.
Zukunftsfähig möchte auch die FDP bleiben. Seit März sind Sie nicht mehr im Bundestag. Was haben Sie seitdem gemacht?
Ich habe mit sehr vielen Menschen gesprochen, innerhalb und außerhalb der FDP. Ich wollte mir darüber klar werden, was unsere künftige Mission ist und was meine Aufgabe als möglicher Parteivorsitzender ist.
Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
Eines der Ergebnisse ist mein Vorschlag für das Amt der Generalsekretärin, Nicole Büttner. Es ist sicherlich ungewöhnlich, eine erfolgreiche KI-Unternehmerin zu nominieren. Aber wir müssen jetzt auch personell neue Wege gehen. Die Menschen spüren: Deutschland muss sich verändern. Das betrifft auch die Parteien und deswegen wird es auch bei uns Veränderungen im Team geben.
Sie waren aber selbst jemand, der bereits als Fraktionsvorsitzender zur ersten Reihe der FDP gehörte. Wie passt das zusammen?
Wir brauchen natürlich eine Mischung aus neuen Köpfen und bekannten Gesichtern. Aber auch ich muss mich ändern. Eine erfolgreiche Startup-Unternehmerin als Generalsekretärin zu nominieren, ist neu und unkonventionell. Eine Sache, die wir anders machen wollen, ist stärker im Team zu arbeiten.
Am nächsten Wochenende kommt die FDP zusammen. Von Parteitagen soll immer ein Signal ausgehen. Was wird es diesmal sein: "Wir leben noch" oder "Vergesst uns nicht"?
Nein, das Signal muss sein: Mit den Freien Demokraten ist zu rechnen. Wir wollen die modernste Partei Deutschlands werden, organisatorisch und inhaltlich. Wir haben international eine schwierige Lage. Die Menschen haben das Gefühl, es geht abwärts mit Deutschland. Aber unsere Probleme sind hausgemacht. Wir wachsen nicht mehr. Viele junge Familien fragen sich, ob sie sich noch etwas fürs Alter aufbauen können. 250.000 junge, gut ausgebildete Menschen verlassen Deutschland pro Jahr. Da muss es eine Partei geben, die "out of the box" denkt und neue Ideen hat.
Sie haben sich bisher kaum vom Langzeit-Vorsitzenden Christian Lindner abgegrenzt. Geht es jetzt auch inhaltlich so weiter wie bisher, nach dem Motto: 2025 war ein Betriebsunfall?
Nein, wir werden uns auch inhaltlich erneuern. Ich definiere mich aber nicht, indem ich mich von anderen abgrenze. Wenn wir in der Vergangenheit über Wirtschaft gesprochen haben, hatten zu wenige das Gefühl, dass das etwas mit ihnen zu tun hatte. Das hat es aber. Die Menschen spüren: So kann es nicht weitergehen. Unser Land braucht eine mutige Reformpolitik.
Also wie immer bei der FDP: Steuern senken.
Steuern senken ist kein Selbstzweck. Wir haben ja die Steuern gesenkt in der Ampelkoalition. Aber die Menschen haben trotzdem nicht mehr Geld in der Tasche, weil die Sozialversicherungsbeiträge steigen. Die neue Regierung hat dafür gar kein Konzept, nichts. Es soll einfach so weitergehen wie bisher.
CDU/CSU und SPD haben Wirtschaftswachstum zur Priorität erklärt. Das ist doch genau das, was Sie wollen.
Da sind wir uns alle einig. Ich kenne keine Partei, die gegen Wirtschaftswachstum ist. Aber es geht um die richtigen Konzepte. Herr Klingbeil verkündet, die Strompreise sollen sinken. Aber künftig bezuschussen die Steuerzahler den Strompreis über den Bundeshaushalt. Das verschweigt Klingbeil. Das ist doch kein Reformkonzept, das ist ein Taschenspielertrick.
Aber irgendjemand muss den Strom bezahlen.
Ja, wie wäre es denn mit einer neuen Energiepolitik? Für den Klimaschutz war das Abschalten der Kernkraft kontraproduktiv. Wir haben etwa einen viel höheren CO2-Ausstoß pro Kopf als Frankreich. Wir brauchen aber auch eine andere Migrationspolitik. Es muss leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten.
Da haben Sie doch schon mit der Ampel das Fachkräftezuwanderungsgesetz gemacht und es als großen Wurf gepriesen.
Es war ein erster Schritt und das Gesetz entfaltet seine Wirkung. Aber ich kann mir da sehr viel mehr vorstellen und das ist damals an der SPD gescheitert. Bei Union und SPD sehe ich jetzt keine Bemühungen auf diesem Feld.
Zurück zur Energiepolitik: Was ist falsch am Ausbau erneuerbarer Energien?
Daran ist falsch, dass der Staat alles detailliert regelt. Ich bin nicht gegen den Ausbau erneuerbarer Energien. Aber Politik muss aufhören, über Technologien zu entscheiden. Wenn der Netzausbau so umgesetzt wird, wie es geplant ist, kostet es den Steuerzahler oder den Stromkunden mindestens eine halbe Billion Euro.
Aber Sie wollen doch jetzt nicht ernsthaft immer noch zurück zur Atomkraft?
Wir müssen auch für neue Formen der Kernenergie offen sein, selbstverständlich! Wir reden über kleine Reaktoren und Kernfusion, das ist eine neue Art der Kernenergie. In Deutschland werden immer erst 20 Punkte aufgezählt, warum etwas nicht geht. Damit gebe ich mich nicht zufrieden. Wir müssen wieder dahin kommen, zu sagen: Es geht etwas, wir probieren es aus. Bei der KI ist es genauso. Als Erstes haben Deutschland und Europa alles reguliert. Wie wäre es denn, erstmal auszuprobieren und die Begeisterung fürs Neue zuzulassen?
Stichwort Freiheit, es ist immer die Frage, welche und wessen Freiheit gemeint ist. Manchmal hat man den Eindruck, es geht der FDP vor allem um die Freiheit, mit 180 über die Autobahn zu fahren.
Nein, darum geht es nicht. Ja, ich halte ein Tempo-Limit für Quatsch. Aber spannender ist die Debatte, wie wir wirklich dafür sorgen, dass man weniger im Stau steht. Das geht beispielsweise mit mehr KI im Straßenverkehr. Lasst uns doch einmal darüber reden. Oder nehmen Sie das Beispiel Solo-Selbständige. Die werden drangsaliert bis zum geht nicht mehr. Die Idee der Freiheit ist es doch, selbst etwas zu erreichen. Wir wollen die Menschen nicht durchs Leben gängeln und begleiten, sondern gute Startbedingungen für alle. Deshalb ist die FDP auch Bildungspartei.
Sie halten weiter eisern an der Schuldenbremse fest. Aber Sie haben kürzlich selbst 300 Milliarden Euro Schulden für die Bundeswehr vorgeschlagen und auch zum Ampelstart wollten Sie alte Corona-Milliarden weiter nutzen. Ist das nicht ein Etikettenschwindel?
Die Schuldenbremse zwingt die Politik dazu, Maß zu halten. Zugleich ist sie flexibel und hätte in diesem Jahr 50 Milliarden Euro neue Schulden ermöglicht. Deswegen ist es verrückt, die Schuldenbremse abzuschaffen, wie es Schwarz-Rot und Grüne vorhat. Aber wir sind eben nicht dogmatisch. Wir sehen die neuen geopolitische Herausforderungen. Deswegen haben wir einen Verteidigungsfonds vorgeschlagen.
Die neuen Schulden-Möglichkeiten sollen doch auch die Freiheit geben, etwas zu tun: Die Bundeswehr und die Infrastruktur erneuern.
Das ist der wahre Etikettenschwindel. Im eigentlichen Bundeshaushalt sinken die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur ja. Das schafft neue Möglichkeiten für politische Wunschkonzerte. Markus Söder feiert sich ja schon für neue Elektroauto-Subventionen. Politische Reformen erfordern Mut. Ich glaube, die Menschen sind bereit Reformen mitzutragen. Aber sie akzeptieren nicht, wenn Politiker feige sind.
Freiheit, Modernität, Mut, das klingt gut. Aber wenn es auf Steuersenkungen und Sozialabbau hinausläuft, hätten viele auch etwas zu verlieren. Warum sollte ich die FDP wählen, wenn ich ein mittleres oder geringes Einkommen habe?
Wenn ich ein mittleres Einkommen habe, geht die Hälfte meines Geldes an den Staat. Ich bin nicht mehr in der Lage ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen. Ich merke, wie mein Wohlstand abnimmt. Genau um diese Menschen geht es uns. Sie arbeiten hart, wollen aber nicht vom Staat subventioniert werden. Sie wollen mehr Freiheit. Haben wir wirklich zu wenig soziale Leistungen? Wir haben doch ein anderes Problem. Leistung lohnt sich zu wenig.
Man darf davon ausgehen, dass Sie als Parteivorsitzender gewählt werden. Es wäre der Höhepunkt Ihrer Parteikarriere. Aber wie begann die eigentlich? Wie sind Sie zur FDP gekommen?
Ich war als Schüler Mitte der 90er ein Jahr in den Vereinigten Staaten und kam voller Tatendrang zurück. Ein Freund sprach mich an und fragte, ob ich mal mit zu den Jungen Liberalen kommen wollte. Im ersten Moment klang das für mich ungefähr so interessant wie Schach-AG. Ich habe bei dem Treffen dann aber meine Begeisterung für Politik, das Ringen um den besten Weg und die Debatte entdeckt. Mir war als Schüler gar nicht klar, dass es eine Partei gibt, die auf Freiheit und Eigenverantwortung setzt. Da habe ich in der FDP meine Heimat gefunden.
Herr Lindner ist ja Oldtimer-Fan, hat einen alten Porsche. Was fahren Sie für ein Auto?
Ich habe einen alten Mini in der Garage, Baujahr 94, mit Holzlenkrad. Der stammt noch von Rover, also bevor es die neuen Modelle gab. Leider fährt er gerade nicht mehr und muss repariert werden. Privat fahre ich tatsächlich auch einen Mini, aber ein neueres Modell.
Mit Christian Dürr sprach Volker Petersen
Quelle: ntv.de
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